VOM ZYKLUS DER WEIBLICHEN JAHRESZEITEN
- verein-urwerk
- 20. Sept.
- 5 Min. Lesezeit

Obwohl wir Menschen so gerne linear und analytisch denken, unterliegen wir dennoch einer zyklischen Dynamik – wie eben alles in der Natur. Das besondere an Zyklen ist, dass sie sich immer wiederholen – ein Kreislauf also. Wie die Jahreszeiten. Genauso verhält sich auch der weibliche Zyklus. Wir Menschen haben generell verlernt mit dem Rhythmus der Natur zu leben. Daher ist es auch wenig verwunderlich, dass in einem System, das vorrangig durch Leistung und Effizienz definiert wird, den Frauen selbst die Sensibilität für ihren Zyklus verlorengegangen ist. Denn das System in dem wir leben ist eben männlich geprägt. Und in einem männlich dominierten System ist der weibliche Zyklus mit der Menstruation eher sogar ein Störfaktor, weshalb viele Frauen ein eher problematisches Verhältnis zu ihrem Zyklus haben, was nicht selten zu daraus resultierenden Beschwerden führt. Bei manchen so heftig, dass sie jeden Monat eigentlich ein paar Tage in den Krankenstand gehen müsste. Um das zu vermeiden, wird häufig zu Schmerzmedikamenten gegriffen – um leistungsfähig zu bleiben.
Natürlich haben auch massive Menstruationsbeschwerden nach der traditionellen chinesischen Medizin ihre Ursachen und können individuell, je nach Konstitution, mit Ernährung und Heilkräutern gut unterstützend behandelt werden. Was mir persönlich allerdings sehr geholfen hat den weiblichen Zyklus nicht mehr als lästiges Übel, sondern als etwas essenziell Weibliches und sehr Kraftvolles zu sehen, war das Verständnis um seine Dynamik. Denn wenn wir wissen was welche Zyklusphase mit uns Frauen macht, dann sind wir unseren Hormonen nicht mehr so „hilflos ausgeliefert“, wie das von manchen Männern gerne interpretiert oder gar belächelt wird. Es gibt uns nämlich die Möglichkeit uns selbst besser wahrzunehmen, zu spüren und zu reflektieren.
So ist es zum Beispiel ganz normal, dass wir im Frühling – also in der Follikelphase unseres Zyklus oft vor Kreativität und neuen Ideen nur so sprudeln. In dieser Phase fühlen wir uns, wie eine Pflanze nach dem Winter, immer energiegeladener. Wir sind voller Elan und Tatendrang. Diese Energie will bewegt werden. Daher ist es wichtig dieser Kreativität und dem Bewegungsdrang Ausdruck zu verleihen.
In unserem Sommer – um den Eisprung herum, fühlen wir uns häufig überschwänglich, gut gelaunt, lustvoll und extrem kommunikativ. Auch unsere Ausstrahlung ist um diese Zeit meistens auffälliger. Wir fühlen uns generell attraktiver und selbstbewusster. Das Leben fühlt sich freudvoll und voller Leichtigkeit an. Evolutionär betrachtet ist das auch notwendig für die Arterhaltung. ;-) Ideal ist diese Phase daher vor allem für das Halten von Präsentationen, Kursen und für alles wo man etwas aus sich rausgehen sollte.
Viel zu heftig fühlt sich oft dann gleich danach der innere Herbst an. Wie in der Natur, lädt uns auch der zyklische Herbst – die Lutealphase, zum Rückzug und zur Innenschau ein. Wir sind jetzt überkritisch (vor allem auch mit uns selbst), manchmal traurig und dadurch generell schnell reizbar, aber auch klar und direkt. Je nach verbaler Veranlagung, kann das hier natürlich zu den ein oder anderen zwischenmenschlichen Konfrontationen führen. PMS lässt grüßen – so empfindsam wie sich jetzt gerade unsere Seele anfühlt, fühlt sich häufig auch unser Körper an. Schmerzende Brüste, Verspannungen, Kopfschmerzen, Wassereinlagerungen – alles keine Seltenheiten in dieser Phase. Was hier hilft sind vor allem Verständnis, gegebenenfalls aus dem Weg gehen und Bewegung um das Qi (denn das stagniert schnell in dieser Phase) im Fluss zu halten. Auch die richtige Ernährung kann hier, genauso wie individuell passende Kräuter, sehr viel lindern. Diese Phase eignet sich vor allem um Klarheit zu schaffen und neue Erkenntnisse zu gewinnen, aber auch für Gehaltsverhandlungen und Gespräche, wo Rationalität und Standfestigkeit gefragt sind.
Wenn wir dann endlich (ja – so fühlt es sich nach ca. 1 Woche zyklischem Herbst oft wirklich an) im Winter- bei der Menstruation, angekommen sind sollten wir uns nach Möglichkeit bewusst etwas Ruhe gönnen. Denn je nach Intensität der Blutung, hat der Körper ganz schön damit zu tun, diesen Substanzverlust wieder auszugleichen. Liebevolle Zuwendung, Wärme (körperlich wie emotional) und Fürsorge (auch uns selbst gegenüber) sind jetzt besonders wichtig und wertvoll. Mit Liebe gekochtes Essen und Kraftsuppen bauen uns hier schnell wieder für den nächsten Frühling auf.
Natürlich ist mir klar, dass wir in unserem System (und gerade auch in meinem Job) nicht alles nach unserem Zyklus planen können. Jedoch hilft finde ich schon alleine das Bewusstsein darum Frieden mit sich selbst und seinem Körper zu schließen. Es geht vor allem auch darum zu akzeptieren, dass es einfach Tage gibt, an denen wir uns furchtbar fühlen oder einfach weniger Energie haben. Und genau an diesen Tagen sollten wir extra liebevoll zu uns sein und uns nicht noch fertig machen, weil wir vielleicht weniger geschafft haben, als wir geplant hatten. Und wenn wir an solchen Tagen in der glücklichen Lage sind uns eine wohltuende Auszeit im Bett, auf der Couch oder in der Badewanne zu nehmen, dann bitte unbedingt, wenn’s leicht geht. Aber unter Druck setzen sollte man sich deswegen auch nicht. Mich persönlich haben nämlich diese Female Coaches immer gestresst, die auf Social Media ihr zyklusbestimmtes Leben propagieren. Es ist schön, aber entspricht leider häufig nicht der nüchternen Realität im Alltag einer berufstätigen Mutter in einem vielleicht noch körperlich fordernden Job.
Oft will unser Körper ja nur gehört werden. Denn jede Beschwerde ist schlussendlich eine Botschaft unserer Seele. Und wenn er mich mit massivsten Schmerzen jeden Monat in die Knie zwingen muss, dann darf ich mir als Frau (und das ist bitte nicht wertend oder belehrend gemeint) überlegen wie massiv ich möglicherweise gegen mein Innerstes ankämpfe nur um perfekt in dieser Gesellschaft zu funktionieren. Die TCM hatte immer schon einen großen Schwerpunkt auf individuelle Frauenheilkunde. Und laut der traditionellen chinesischen Medizin sollte die Monatsblutung schmerzfrei sein. Ist sie das nicht, ist das ein Hinweis auf ein Ungleichgewicht im Körper. Auch deshalb sehe ich meinen Zyklus nicht mehr als Belastung, sondern als weisen Indikator für mein Bewusstsein und meinen Körper. Und wenn man sich bewusst macht wieviel Substanz der Körper einer Frau im Laufe ihres Lebens dadurch verliert und wieder regeneriert ist das echt eine unglaubliche Leistung.
Ich weiß, das mit den Jahreszeiten ist eine sehr vereinfachte Metapher. Wissenschaftlich lässt sich das hormonell natürlich alles aufschlüsseln und erklären, warum wir uns wann wie fühlen. Doch darum geht’s mir nicht. Mir geht es darum, dass wir wieder ein Bewusstsein und eine Verbindung zu unserer weiblichen Urkraft herstellen. Daher finde ich es auch wichtig, dass wir vor allem unseren Töchtern diese Dynamik von Anfang an gut vermitteln, damit aus ihnen selbstsichere und starke Frauen werden. Denn die braucht unsere Welt!
In diesem Sinne,
schaut gut auf euch liebe Frauen und ihr liebe Männer auf eure Frauen! :-)

PS: Männer haben übrigens auch einen Zyklus. Der richtet sich allerdings nicht wie bei uns Frauen nach dem Mondzyklus, sondern nach dem täglichen Sonnenzyklus! Daher entspricht der Mond seit jeher dem weiblichen und die Sonne dem männlichen Prinzip! Spannend, oder? ;-)





